FÜR JUGENDLICHE AUS BOSNIEN und HERZEGOVINA, DEUTSCHLAND UND HOLLAND
HINTERGRUND
Die Jugendlichen in Bosnien und Herzegovina (BiH) haben im eigenen Land kaum Möglichkeiten, sich über die innerstaatlichen und ethnischen Grenzen hinweg zu begegnen. Die bosniakischen und kroatischen Jugendlichen in der muslimisch-kroatischen Föderation sowie die serbischen Jugendlichen in der Republika Srpska leben gleichsam in ethnisch geschlossenen Gebieten; die Jugendlichen, die aus Mischehen stammen, leben im Niemandsland. Der Bürgerkrieg hat viele von ihnen entwurzelt. Ihre Familien sind nicht mehr intakt. Körperliche und seelische Schäden sind noch nicht vollständig verheilt. Sie sind sich ihres weiteren Lebensweges nicht sicher. Die meisten von ihnen werden aber in der größeren Heimatregion verbleiben oder wieder dorthin zurückkehren. Sie werden ihre Lebensumstände gemeinsam mit den anderen Ethnien zu meistern haben.
Durch friedenspädagogische Arbeit mit Jugendlichen aus (ehemals) verfeindeten Gebieten kann – mit großer Geduld und viel Zuwendung – die Lage in Konfliktgebieten dauerhaft verbessert werden. Die Jugendlichen aus BiH sollen das Ziel, in Frieden mit allen anderen zu leben, als erstrebenswert kennenlernen und sich in diesem Ziel über alle Grenzen hinweg vereint fühlen. Durch den Kontakt zu deutschen und holländischen Jugendlichen und die Aufnahme in Deutschland sollen sie erkennen, daß ihre Heimat Teil von Europa ist und sie mit ihren Sorgen und Problemen nicht allein gelassen sind.
DAUER UND ORT DER BEGEGNUNG
Das Sommercamp ermöglichte den Jugendlichen eine begrenzte gemeinsame Zeit auf neutralem Grund und Boden. Es fand in der Zeit vom 22. Juli bis 08. August 1998 statt. Standort und Ausgangspunkt vieler Unternehmungen war die Jugendakademie Walberberg bei Bornheim im Rhein-Sieg-Kreis, linksrheinisch zwischen Köln und Bonn gelegen. Die naturnahe Lage und die Ausstattung des Hauses sowie die Nähe zu Köln und Bonn ließen eine gute und ausgewogene Programmgestaltung zu.
SCHIRMHERRSCHAFT
Schirmherrin für das Sommercamp `98 war Frau Sandy Wagner aus Bonn. Frau Wagner ist Bosnien und Herzegovina auf besonders tragische Weise verbunden: Ihr Ehemann, der deutsche Diplomat Dr. Gerd Wagner, war unter den Opfern des Hubschrauberunglücks in Bosnien und Herzegovina am 17. September 1997.
TEILNEHMER
Sechsundzwanzig Jugendliche aus allen Landesteilen von BiH und sieben aus Deutschland und Holland nahmen teil, darunter auch ein bosnischer Flüchtlingsjugendlicher. Es waren in etwa gleich viele Jungen und Mädchen im Alter von vierzehn bis siebzehn Jahren. Die serbischen, kroatischen, bosniakisch-muslimischen oder aus Mischehen stammenden Jugendlichen kamen aus den Regionen
Banja-Luka, Jajce, Gornji Vakuf, Mostar, Prijedor, Sarajevo und Tuzla. Grundkenntnisse in Deutsch oder Englisch brachte beinahe jeder Teilnehmer mit.
Die Jugendlichen aus BiH konnten wir über eine offene Ausschreibung mit Hilfe unserer Partner ansprechen. Sie und ihre Eltern wußten damit, welches Programm sie erwarten würde. Wir hatten so viel Anmeldungen, daß wir eine – nach Alter, Geschlecht, ethnischer Zugehörigkeit, Sprachkenntnissen und Interessen/Neigungen – in etwa ausgewogene Gruppe zusammenstellen konnten.
BETREUERTEAM
Ausgewählt und vorbereitet wurde das Team durch den Vorstand von CAMPUS15. Als Campleiter wurde ein freiberuflich tätiger Sozial-und Musikpädagoge aus Bonn verpflichtet. Ehrenamtlich im Camp tätig waren eine junge Buchhändlerin für die administrative Betreuung, ein Bundeswehrstudent der Sportwissenschaft sowie ein Musikpädagoge und eine Sozialpädagogin aus Holland.
Aus BiH wirkten drei Betreuer mit, die gute Deutsch- bzw. Englischkenntnisse mitbrachten: eine Kroatin aus Sarajevo, Konfliktmoderatorin und Studentin der Volkswirtschaft, eine Serbin aus Banja Luka, Mitarbeiterin am dortigen Crisis Resolution Center und Studentin der Psychologie und ein Bosniake aus Sarajevo, Student der Journalistik.
Zusätzlich kamen Fachkräfte für kreative Workshops (Maskenbau, Theater), für Medienprojekte (Radiowerkstatt, TV-Projekt) und für Gesprächsrunden (Psychotherapeuten) zum Einsatz, die zum Teil auch Serbisch-Kroatisch-Bosnisch als Muttersprache – neben Deutsch und Englisch – mitbrachten.
PROGRAMM
Die vorher genannten Partner und das Team der Betreuer haben zur Programmentwicklung beigetragen. Einige Stichworte: Viel Sport und Spiel, naturnahe Unternehmungen, Projektarbeiten, psychosoziale Angebote, Besuche.
Naturspaziergang und Nachtwanderung wurden ohne Angst vor Minen erlebt. In Medienprojekten wurde mit Presse und Rundfunk in der Region zusammengearbeitet. Auch ein Video-Film über die Erlebnisse im Sommercamp wude von einer kleinen Gruppe gedreht, geschnitten und fertiggestellt.
Als Kreativprojekte gab es Theaterspielen, Maskenbau und gemeinsames Musizieren und Singen.
In Gesprächsrunden wurde über das gesprochen, was die Seele schmerzt. Sport und Spiel – Basketball, Volleyball und Fußball – förderten die Gemeinschaft und sorgten für Ausgleich. Ausflüge nach Köln, Bonn, Arnheim und dem Phantasialand vervollständigten das Programm.
Auch unsere Partner in BiH haben es für sinnvoll gehalten, den Schwerpunkt auf ‚Workshops’ und sportliche Aktivitäten zu legen, um die interethnische Verständigung anzuregen. Eine Unterrichtung über die politische Situation in BiH war als Programmpunkt nicht vorgesehen, aber Gespräche hierüber ergaben sich sehr häufig, zum Beispiel bei dem Programmpunkt „Wie wir leben“. Die Jugendlichen tauschten sich darüber aus und sollten darstellen, wie und was sie über ihr Land empfinden.
PARTNER
Kontaktaufnahme mit unseren Partnern erfolgte vor allem durch zwei Besuche in BiH im Juni und September 1997 und über Personen, die in internationalen Organisationen in BiH tätig sind. Mit den nachfolgenden Organisationen arbeiteten wir zusammen:
(1) Civil Association Krug-Circle in Sarajevo
(2) Wings of Hope in Sarajevo
(3) Nesto Vise in Sarajevo
(4) Schüler Helfen Leben in Sarajevo
(5) Parkstraat Gemeente Arnhem/NL, Ivo de Jong
(6) Bärbel Bohley beim OHR in Sarajevo
(7) Nadira Selimovic in Tuzla
(8) Pax Christi in Banja Luka und Jajce
(9) Radio X in Mostar
FÖRDERUNG DES SOMMERCAMP `98
CAMPUS15 war in der Lage, einen erheblichen Teil der Kosten durch Mitgliedsbeiträge und private Spenden selbst zu tragen. Auch die vielen Wochen ehrenamtlicher Arbeit durch Mitglieder und Freunde des Vereins sowie kostenlose Sach- und Dienstleistungen waren für das Gelingen sehr wichtig. Hier sind die Bundeswehr, der Deutsche Alpenverein und evangelische Kirchengemeinden aus der Region, vor allem die evangelische Kirchengemeinde Birk in Lohmar zu nennen. Auch der TuS Birk – ein Sportverein aus Lohmar – war wichtig, da so eine freundschaftliche Fußballbegegnung möglich wurde.
Jedoch wäre das Sommercamp `98 ohne die Förderung durch die Robert Bosch Stiftung, das Auswärtige Amt und die Europäische Union nicht durchführbar gewesen.
STIMMEN ZUM SOMMERCAMP `98
Iris (Teilnehmerin aus Mostar): „In Bosnien und Herzegovina waren alle Städte, alle Menschen durch eine Brücke der Freundschaft und der Liebe verbunden. All das ist geplatzt, alles ist zerstört. Ich wünsche mir, daß Mostar wieder eine Stadt wird, und daß in dieser Stadt alle drei Ethnien zusammenleben, daß sich alles normalisiert und alles wie früher wird.“
Edis (Teilnehmer aus Sarajevo): Wir reden über alles, was uns wichtig ist, über Freundschaft, Liebe, Eifersucht, Berufspläne, aber egal, wo wir anfangen, wir landen immer beim Krieg, und dann will ich schnell wieder lieber über was anderes sprechen.“
Marijana, Aida und Jana (Teilnehmerinnen aus Sarajevo): „Wir tragen keine Schuld an dem, was geschehen ist. Wir wollen nicht für den Rest unseres Lebens dadurch belastet werden. Wir müssen etwas bei uns verändern.“
Enes und Boris (Teilnehmer aus Jajce und Banja Luka): „Wir sind Freunde geworden, und wir wollen den Kontakt halten“.
Marija Saric (Betreuerin aus Sarajevo): „In ihrer Heimat wird Serben, Kroaten und Moslems Schlechtes von ihren Eltern über die anderen Bevölkerungsgruppen erzählt. Hier sind sie frei davon und können ihre eigenen Meinungen austauschen und neu bilden“.
Alexandra Briski (Psychotherapeutin aus Köln) : „Für viele war es die erste Gelegenheit, offen über das Erlebte und über ihre wahren Gefühle während des Krieges zu sprechen, z.B. Elternverlust, das Verbannen aus dem Haus, das Leben im Lager, Angst um den Vater im Krieg und um sich selbst, Dauer des Krieges usw.“
Lutz Pickardt (Leiter Maskenbau-Workshop, in einem Brief an die Teilnehmer) : Now I’m full of hope that your country will find peace – because I know there are people who want it from their hearts and they have the power to create it.“
Luce Eberlein (Leiterin Theater-Workshop) : „Zum Schluß mündete das gemeinsame Lernen, Entdecken, Erfinden und Entscheiden in eine beeindruckende Aufführung, die deutlich zeigte, daß die Jugendlichen viele der positiven Erfahrungen aufgenommen haben. Ich bin davon überzeugt, daß mit diesen jungen Menschen Bosnien und Herzegovina eine Zukunft hat.“
Karl Lamers, MdB: „Für Ihren Einsatz, mit dem Sie dieses Projekt initiiert haben und mit Leben erfüllen, spreche ich Ihnen meinen Dank und meine Anerkennung aus. Ich bin ebenfalls davon überzeugt, daß die Zukunft Bosnien und Herzegovinas vor allem darin liegt, der Jugend Verständnis füreinander und Verständigung miteinander zu ermöglichen.“
Auswärtiges Amt, Bonn : „Hoffentlich gelingt es der jungen Generation, die immer noch vorhandenen ethnischen Trennungslinien in Bosnien und Herzegovina dauerhaft zu überwinden. Zu diesem wichtigen Ziel hat CAMPUS15 einen wertvollen Beitrag geleistet.“