Von Feinden zu Freunden Bericht über das Sommercamp `99 für Jugendliche aus Bosnien und Herzegovina, den Niederlanden und Deutschland – ein Projekt von „CAMPUS15–Jugend wagt den Frieden e.V.“
Vorurteile und Mißtrauen, aber auch Neugier und Anteilnahme brachten viele der dreiunddreißig Jugendlichen mit, die am 10. Juli in Bonn ankamen, um gemeinsam am Sommercamp `99 teilzunehmen. Die Jugendlichen im Alter von vierzehn bis sechzehn Jahren kamen aus ganz verschiedenen Ländern, aus der serbischen Republik und der bosniakisch-kroatischen Föderation von Bosnien und Herzegovina (BiH), aus den Niederlanden und aus Deutschland. Normalerweise haben sie kaum eine Chance sich zu treffen, aber hier konnten sie eine einzigartige Erfahrung machen: Vierundzwanzig Serben, Kroaten und Bosniaken trafen mit Jugendlichen ihres Alters von der anderen, der „feindlichen“ Seite ihres Heimatlandes zusammen, und gleichzeitig lernten sie Jugendliche aus anderen europäischen Ländern kennen. Drei Wochen später – bezeugt durch heftige Umarmungen und viele Tränen beim Abschied am 31. Juli – waren Freundschaften gewachsen, und ein Friedensdialog hatte begonnen.
Die private gemeinnützige Organisation „CAMPUS15 – Jugend wagt den Frieden e.V.“ aus Lohmar im Rheinland hatte zum zweiten Mal Jugendliche im Rahmen ihrer Arbeit für Frieden und Versöhnung zusammengeführt. Junge Menschen, in Konfliktgebieten groß geworden, sollen Vertrauen und Achtung für ihre vermeintlichen Gegner entwickeln und gleichzeitig Jugendliche aus anderen europäischen Staaten – die europäische Perspektive – kennenlernen. Die Gründer von CAMPUS15 sind fest davon überzeugt, daß der direkte persönliche Kontakt gerade der jungen Menschen mit der jeweils „anderen Seite“ der erste Schritt auf dem Weg zu dauerhaftem Frieden ist. Das hat in einem Umfeld zu geschehen, welches für solche Kontakte die notwendige Unterstützung gewährt.
Genau das geschah im Sommercamp `99. Unter der Leitung von Tanja Halberstadt, einer sehr befähigten, starken Pädagogin aus Köln, wurde durch ein Team von Betreuern aus Bosnien und Herzegovina und Deutschland sehr schnell eine gemeinsame Basis für den Umgang miteinander gefunden, Voraussetzung für Einsichten, wie zum Beispiel Enes, ein Bosniake aus Tuzla, sie gewann: „Vor dem Sommercamp kannte ich die Menschen aus der Republika Srpska nur durch ihre Granaten und Geschosse. Jetzt weiß ich, daß auch sie mich nur so kannten. Das gibt mir Hoffnung für den Frieden. Zumindest weiß ich jetzt, daß auch sie nur Menschen sind wie Du und ich.“
Das Sommercamp wurde in der Nähe von Bonn im Malteserhof durchgeführt, einem burgähnlichen großen Landsitz, der von einem Park mit herrlichen alten Bäumen umgeben ist und am Fuße des Siebengebirges liegt. Von hier aus ging es zum Klettern, Schlauchbootfahren, Schwimmen, Wandern. Mannschaftsspiele, manchmal mit örtlichen Teams, standen ebenfalls auf dem Programm. Die Teilnehmer konnten unter verschiedenen kreativen Arbeitsgruppen wählen: Holzschnitte und -drucke, Theaterspielen, Rockband und Trommeln und Maskenbau/Maskenspiel. Junge Fachleute unterstützten die Jugendlichen, die eine eigene Camp-Zeitung machten, ein dreißig-minütiges Radioprogramm erstellten, das von einem Regionalsender ausgestrahlt werden wird und einen Videofilm über die Höhepunkte des Camps produzierten. So lernten sie die grundsätzlichen Mittel der Medienarbeit kennen. Zum Thema „Wie wir leben“ wurde intensiv diskutiert und die Ergebnisse in graphisch gestalteten und zeichnerischen Darstellungen festgehalten.
An fünf Abenden fanden unter fachkundiger psychologischer Leitung Gruppengespräche statt. Deutsch, Englisch, Serbisch-Kroatisch-Bosnisch waren die Sprachen, in denen man sich kreuz und quer verständigte. Die Gespräche drehten sich um die Gedanken und die Gefühlswelt der Jugendlichen. Über solch schwierige Themen wie Verlust der Heimat, Tod von Angehörigen oder Freunden, persönliche Schicksalsschläge oder schmerzhafte Erfahrungen wurde gesprochen. Aber dabei blieb es nicht, sondern auch Wege aus dem persönlichen Schicksal und Möglichkeiten, Probleme zu überwinden, wurden mit Bedacht aufgezeigt. Für einige Jugendliche war es anfangs sehr schwierig, sich zu öffnen und zu beteiligen. Sie nahmen dankbar das Angebot zu Einzelgesprächen an und konnten so – vielleicht zum ersten Mal – über ihre Probleme sprechen.
Es gibt gemeinsame Grundlagen für die Jugendlichen aus Bosnien und Herzegovina. Marijana aus Sarajevo und Iris aus Mostar, zusammen mit anderen, haben es deutlich vernehmbar ausgesprochen: „Wir junge Menschen tragen keine Schuld an dem, was in unserem Land geschah. Wir wissen aber, daß wir für eine friedliche Zukunft zu Hause etwas ändern müssen.“
Aber selbst in der friedvollen Umgebung des Malteserhofes waren Kanonen und Bomben nie ganz aus den Köpfen der Jugendlichen zu verbannen. Der Kosovo Krieg hatte bei vielen die eigenen Kriegserinnerungen zurückgebracht. Besonders die serbischen Jugendlichen aus der Republika Srpska äußerten häufig ihre Gedanken zum Krieg der NATO gegen das Mutterland aller Serben. Schließlich konnten aber positive Grundeinstellungen die schlechten Gefühle überwinden. „Ich habe noch nie Menschen kennengelernt, die so offen für neue Dinge sind und die so offen mit uns waren“ sagte Bianca, ein sechzehnjähriges Mädchen aus Deutschland. Und Sladjana, ein kroatisches Mädchen aus Sarajevo schrieb in das CAMP-Buch: „Danke dafür, daß uns hier gezeigt wurde, daß zwischen Menschen, die sich in ihrer Heimat nicht ausstehen können, ein gemeinsames Leben möglich ist.“
Gefördert wurde das Sommercamp 99 von der Robert Bosch Stiftung, der Europäischen Kommission, dem Auswärtigen Amt, dem Kuratorium: Hilfe für Bosnien und Herzegovina, dem LIONS Club Siegburg, dem Evangelischen Kirchenkreis an Sieg und Rhein (vor allem die Kirchengemeinden Birk und Hennef), dem Deutschen Bundeswehrverband und der Firma EMITEC in Lohmar.
Die Deutsche Telekom, der Kaufhof Siegburg, die Fluggesellschaft AIR BOSNA, die Medienzentrale der Bundeswehr in Sankt Augustin, das Jugendzentrum am Probsthof in Bonn, die Rhein – Sieg – Verkehrsgesellschaft, die Stadt Königswinter, die Deutsche Welle in Köln, das Wachbataillon Siegburg, das Sanitätszentrum Köln der Bundeswehr, Catweasel e.V. Köln, der Deutsche Alpenverein – Sektion Bonn, der TuS Dollendorf, der TuS Birk und andere unterstützten CAMPUS15 bei der Durchführung des Sommercamp 99, zu dem die Mitarbeiter des Malteserhofes wesentlich – mehr als ihres Amtes war – beigetragen haben.
Aber ohne private Spenden, Mitgliedsbeiträge, umfangreiche ehrenamtliche Arbeit und kostenlose Sachbeiträge wäre das Sommercamp `99 nicht durchführbar gewesen.
In folgenden Medien wurde über das Sommercamp `99 berichtet:
• Rhein-Sieg Rundschau,
• Rhein-Sieg-Anzeiger,
• General-Anzeiger,
• Lohmarer Stadtanzeiger,
• Der Weg (Ev. Wochenzeitung),
• Monatsschrift des Deutschen Bundeswehrverbandes,
• Deutsche Welle – Programm für Bosnien und Herzegovina sowie im weltweiten englischsprachigen Programm und dem
• Hörfunkprogramm von WDR 5.
Die von den Teilnehmern selbst produzierte Rundfunksendung wird zu einem späteren Zeitpunkt im Bürgerfunk von Radio Bonn/Rhein-Sieg gesendet. (07.09.99)