Mitteleuropa trifft Südosteuropa – und man versteht sich blendend!

Das diesjährige CAMPUS15 Sommercamp begann am Samstag, dem 15. Juli, mit der Ankunft der 36 Jugendlichen aus sieben Ländern (Bosnien und Herzegovina, Deutschland, Kroatien, Montenegro, die Niederlande, Polen und Serbien) und ihren Betreuern im Malteserhof in Königswinter bei Bonn.

Wie es inzwischen zur Tradition geworden ist, stand die erste Campwoche ganz im Zeichen des Kennenlernens und des Aufbaus von Vertrauen zwischen den Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Erreicht wurde dies durch zahlreiche Spiele, eine gemeinsame Orientierungswanderung, Schwimmausflüge, Kommunikationsübungen sowie verschiedene kooperative Abenteueraktivitäten, vom Floßbau bis zum Klettern. In einer Reihe von Diskussionsrunden stellten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihre Heimatländer vor, erfuhren von den alltäglichen Lebensumständen der anderen und diskutierten ihre gemeinsame Zukunft in einem vereinten und friedlichen Europa. Während des EuropaTages verfassten die Jugendlichen einen “Letter to Europe”, der nach Brüssel und nach Berlin geschickt wurde. (siehe Anhang)
In der zweiten Campwoche wurde der Betreuerstab durch vier Workshopleiter verstärkt, die den Jugendlichen die Möglichkeit boten, etwas Neues und Unbekanntes auszuprobieren. Zur Auswahl standen Zirkus und Akrobatik, Improvisationstheater, Afrikanische Trommeln und Musik sowie Maskenbau und Maskenspiel. Am Ende von fünf Tagen intensiver Arbeit gab es eine unvergessliche Präsentation aller Ergebnisse im Park des Malteserhofs.

Die dritte Campwoche begann mit der „CAMPUS15-Olympiade“, einem ganzen Tag verschiedenster sportlicher Aktivitäten. Es folgten Ausflüge nach Köln, nach Bonn und ins Phantasialand. Außerdem hatten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Gelegenheit, ihre Medienprojekte fertig zu stellen, an denen sie während der gesamten drei Wochen gearbeitet hatten: Sie brachten eine Camp-Zeitung heraus, drehten einen Videofilm, in dem die zahlreichen Aktivitäten dokumentiert wurden, und produzierten einen Radiobeitrag, der am 20. August 2006 auf Radio Bonn/Rhein-Sieg gesendet wurde.
Allen Aktivitäten war eines gemeinsam: Sie wurden durchgeführt von jungen Menschen, die bereit waren, sich zu respektieren, miteinander zusammenzuarbeiten, und die einander mehr und mehr zugetan waren, je länger das Camp dauerte.
„Danke, dass ihr mir gezeigt habt, dass es noch ein paar normale Menschen gibt auf dieser verrückten Welt…“, sagt Ana aus Bar am Abend des gemeinsamen Abschieds. Sie spricht aus, was viele Teilnehmer und Betreuer wissen: Sie kommen jetzt zurück in ihre Heimat, in Orte, in denen viele Menschen ihre Vorurteile über die „anderen“ pflegen, in denen die Medien ihre Nachrichten häufig dadurch besser verkaufen, dass sie die Ressentiments zwischen nationalen und ethnischen Gruppen bedienen, und in denen Politiker auf Stimmenfang gehen, indem sie die nationalistische Karte ausspielen. „Ich passe immer noch nicht nach Bar und nach Montenegro, und in das, was sich hier abspielt… Es scheint mir jetzt, als sei das Leben im Malteserhof wie ein Märchen gewesen“ schreibt Lara nach ihrer Rückkehr im Forum. Aber all jene, die in diesem Camp zusammen gelebt habe, wissen, dass es kein Märchen war. Und sie wissen, dass das, was sie erlebt haben, diese drei Wochen des Miteinander ohne Beachtung der Nationalität, Religion oder ethnischen Zugehörigkeit, ihre Sicht der Welt verändert haben. Und mehr noch, es hat sie dahin gebracht, dass sie die Welt selbst ändern wollen. Mit einem kleinen Schritt haben sie bereits begonnen – einem Brief an die politischen Führer der Europäischen Union. In dem Brief regen sie die Abschaffung der Visumpflicht für junge Leute vom Balkan an, damit diese nach Europa reisen, alte und neue Freunde treffen, und die einfachste und beste Medizin gegen Nationalismus und Rassismus ausprobieren können: „die anderen“ persönlich kennen zu lernen.

Hintergrund

Nach einem Jahr ohne Sommercamp oder Rückbegegnung organisierte „CAMPUS15 – Jugend wagt den Frieden” endlich das lang erwartete sechste internationale Sommercamp in Deutschland. Neue Partner, die wir über einen Trainingkurs für Jugendarbeiter aus Mittel- und Südosteuropa im September 2005 in Bonn gefunden hatten, erlaubten es uns, die geographischen Grenzen ein wenig auszuweiten. Zu Beginn der Planungen belief sich die Zahl der einbezogenen Länder auf sechs – mit dem Referendum zugunsten der Unabhängigkeit in Montenegro im Frühsommer stieg sie auf sieben an.

Neben vielen weiteren Anhaltspunkten zeigt diese aktuellste Episode im Prozess der Aufspaltung des früheren Jugoslawien, dass es nach wie vor allen Grund gibt, derartige internationale Jugendbegegnungen zu ermöglichen, die die jungen Menschen gerade dann zusammenbringen, wenn ihre politischen Führer die Notwendigkeit einer stärkeren Trennung propagieren. Die Jugendlichen aus den Mitgliedsländern der Europäischen Union lernen darüber hinaus durch den Kontakt mit ihren Altersgenossen aus dem ehemaligen Jugoslawien den wahren Wert von Frieden, Wohlstand und Reisefreiheit kennen – Dinge, die in der heutigen Generationen vielfach für selbstverständlich gehalten, während die „schlechten Seiten“ der Europäischen Einigung hervorgehoben werden. So dienen diese internationalen Begegnungen auch dazu, in dieser Hinsicht manches ein wenig zu relativieren.

Danksagungen

Wie stets hat CAMPUS15 auch in diesem Jahr die angenehme Pflicht, sich bei seinen zahlreichen Unterstützern zu bedanken:
die Europäische Union mit dem Aktionsprogramm JUGEND und der damit verbundenen finanziellen Förderung;
dem LIONS CLUB Siegburg, der uns seit 1998 unterstützt;
den privaten Spendern und den Mitgliedern von CAMPUS15;
den Mitarbeitern des Malteserhofs;
CATWEASEL in Köln – Meike Schroer und anderen Helfern
TuS Dollendorf für die kostenlose Überlassung des Sportgeländes
Harald Berwanger aus Berlin, außenpolitischer Berater der SPD Bundestagsfraktion, für seinen Beitrag zu Europa und der Balkan;
Die Leiter der Workshops Marion Ladich (Zirkus), Lutz Pickardt (Maskenbau und –spiel), Jochen Baum (Theater) and Jul Sanwidi (Musik)
Klaus Dahmann von der Deutschen Welle, die Mitarbeiter vom LORA Bürgerfunk in Bonn und Uli Gilles vom Kreisjugendamt in Siegburg für die Videounterstützung.

Schließlich ist hier das Betreuerteam zu nennen, das in außergewöhnlicher europäischer Eintracht das Sommercamp zu einer beeindruckenden Erfolgsgeschichte gemacht hat:
Hannah Kalhorn, Berlin (Leitung)
Ana Marojevic, Bar (Montenegro)
Annelies Wasmann, Utrecht (Die Niederlande)
Elena Schiemann, Lohmar (Deutschland)
Erik Klär, Bonn (Deutschland)
Milan Radulj, Banja Luka (Bosnien und Herzegovina)
Mirela Rozajac, Sarajevo (Bosnien und Herzegovina)
Milos Zivkovic, Bela Palanka (Serbien)
Monika Skutela, Piekary (Polen)
Sanda Lisicin, Zagreb (Kroatien)


Anhang: The Letter to Europe (in deutscher Übersetzung)

DER MALTESERHOF-BRIEF AN EUROPA

Bitte nehmen Sie sich die Zeit, diesen Brief einer kleinen Gruppe junger Europäer zu lesen. Wir freuen uns aufrichtig, wenn Sie unsere Stimme wahrnehmen. Wir sind fünfzehn- und sechzehnjährige Mädchen und Jungen aus sieben europäischen Ländern: Bosnien und Herzegovina, Deutschland, Kroatien, Montenegro, die Niederlande, Polen und Serbien.

Wir lernten uns bei einem Sommercamp im Malteserhof in der Nähe von Bonn kennen, zu dem wir von Campus15, einer deutschen Nicht-Regierungsorganisation eingeladen waren, um dort gemeinsam drei Wochen zu verbringen. Das Thema des Camps lautete: „Mitteleuropa trifft auf Südosteuropa“, und das Ziel dieses Camps ist die Versöhnung zwischen jungen Menschen aus Ländern, die in der Vergangenheit Krieg gegeneinander geführt haben.

Nach einem Workshop über die Europäische Union und ihre Einrichtungen haben wir erkannt, dass wir unserer Stimme Gehör verschaffen und Dinge verändern können, wenn wir Ihnen unsere Ideen und Ansichten mitteilen. Zweifellos sind unsere Nationalitäten, unsere Länder, Sitten und Traditionen unterschiedlich, aber wir teilen eine Gemeinsamkeit, und das ist unsere Freundschaft.

Wir alle wollen uns gleichermaßen europäisch fühlen, aber wenn man sich Europa als ein großes Haus vorstellt, dann sieht man, dass einige noch immer in ihren Räumen eingeschlossen sind. Wir wissen, wie man aufsperren kann, aber einige von uns haben keine Schlüssel. Wir fragen uns, ob man überhaupt Schlösser braucht. Wir haben Grenzen auf dem Papier, aber wir haben keine Grenzen in unseren Herzen und Köpfen.

Wir freuen uns auf Ihre geschätzte Antwort.


Hochachtungsvoll
46 junge Menschen aus sieben europäischen Ländern


P.S. Sie haben sicher unseren Hinweis auf das Visasystem erkannt…